Wie stricke ich einen Raglan von oben (RVO)
Warum sollte ich einen Raglan von oben stricken?
Viele Strickerinnen mögen das Zusammennähen nicht. Das entfällt beim RVO. Ich habe damit jedoch kein Problem.
Manche mögen auch keine linken Maschen. Beim Stricken in Runden kann man einen glatt rechts gestrickten Pullover nur mit dem Stricken von rechten Maschen erreichen. Ich stricke jedoch gleich gerne rechte wie linke Maschen.
Was ich am Raglan von oben liebe: Auf diese Art kann ich ohne Anleitung problemlos einen passenden Pullover stricken, und zwar ohne zig Maße zu nehmen und viel zu rechnen. Man kann das Gestrickte zwischendurch immer wieder anprobieren und anpassen.
Außerdem ist diese Pulloverform leicht abzuwandeln. Man kann jegliche Art von Kragen stricken und denn Corpus gerade, tailliert oder in A-Linie gestalten und mit verkürzten Reihen im Rückenbereich erreicht man die modische hinten verlängerte Form.
Wie beginne ich einen RVO?
Eigentlich benötige ich nur die Weite des hinteren Halsausschnittes. Das sind normalerweise 15 bis 18 cm. Natürlich kann man auch einen breiteren (damit meine ich Breite zur Schulter hin, zur Tiefe kommen wir später) Halsausschnitt stricken. Dabei wird die Raglan-Linie kürzer und es gleicht sich wieder aus.
Bei einer Maschenprobe von 26 Maschen auf 10 cm rechne ich also grob 40 Maschen für 15 cm. Für die Ärmel nimmt man jeweils 1/4 davon und das Vorderteil beginnt man mit 1 Masche. Dazu kommen noch die Maschen der Raglanschräge (ich nehme hier mal 2)
Also schlage ich an:
1 M. Vorderteil - 2 M. Raglan - 10 M. Ärmel - 2 M. Raglan - 40 M. Rücken - 2 M. Raglan - 10 M. Ärmel - 2 M. Raglan - 1 M. Vorderteil,
ingesamt also 70 Maschen (zwischen den einzelnen Teilen Maschenmarkierer setzen)
Nun strickt man zunächst in Hin- und Rückreihen. Die Zunahmen am Vorderteil werden je nach gewünschtem Ausschnitt gemacht (also vielleicht zunächst mehrmals jeweils 1 M., dann 5, dann Zunahmen bis zur Maschenzahl des Rückenteils und schließlich zur Runde schließen).
Ansonsten werden vor und nach den Raglanschrägen 1 Masche in jeder 2. Reihe zugenommen, also bis die Runde geschlossen wird immer in den rechten Reihen.
Das Strickteil sollte nun etwa so aussehen:
und etwas später so:
In diesem Beispiel entsteht (unschwer zu erkennen) übrigens ein V-Ausschnitt.
Es gibt auch Anleitungen, die direkt zur Runde geschlossen werden. Hier entsteht der höhere hintere Teil durch verkürzte Reihen (z.B. bei Ravello oder Shellseeker. Dabei werden einige Reihen im hinteren Teil hin und zurück gestrickt, danach wird weiter in Runden gearbeitet.
Wenn die Nadeln lang genug sind, kann man das Gestrickte immer wieder anprobieren. Normalerweise wird die Raglanschräge zwischen 20 und 22 cm lang.
Ich stricke meist ca. 19 cm, der Rest kommt durch Zunahmen nach dem Trennen von Ärmeln und Körper zustande. Meiner Erfahrung nach sitzt der Pulli besser, wenn man dort einige Maschen zunimmt.
Teilen von Körper und Ärmeln und Weiterstricken des Körpers:
Bei Erreichen der nötigen Länge werden Körper und Ärmel getrennt. Dazu legt man die Maschen der Ärmel auf Fäden still. Dann fügt man die Maschen des Vorder- und Rückenteils zusammen. Hierbei kann man nach Bedarf Maschen zunehmen, um die richtige Weite zu erhalten (durch Anprobieren oder Messen eines passendes Pullis). Dabei muss man wissen, dass die gleiche Maschenzahl später auch bei den Ärmeln zugenommen werden muss. In die Mitte der Zunahmen setzt man einen Markierer, die Markierer vom Raglan können natürlich entfernt werden.
Wer z.B. eine große Oberweite hat, kommt dadurch evtl. auf zu weite Ärmel. Dem kann man Vorbeugen, indem man in den letzten Zunahmereihen nur noch auf Körperseite zunimmt und nicht mehr auf Ärmelseite. Umgekehrt wäre zu verfahren bei schmaler Brust und muskulösen Oberarmen. Spätestens nach dem ersten Versuch eines RVO-Pullis kennt man ja seine persönlichen Maße.
Zwischenstand (hier beim Ravello)
Nun kann man den Körper nach seinen eigenen Vorlieben weiterstricken. Für eine Taillierung stricke ich zunächst etwa 10 cm gerade, mache dann etwa alle 8 Reihen 4 x eine Abnahmereihe, ab etwa 22 cm dann wieder Zunahmen. Für eine A-Linie stricke ich etwa 20 cm gerade und nehme dann gleichmäßig zu. Man kann den Pullover natürlich einfach gerade stricken. Ist der Korpus schließlich fertig und abgekettet, strickt man die Ärmel.
Stricken der Ärmel und Fertigstellung des Pullovers:
Nun nehme ich zunächst die stillgelegten Maschen des ersten Ärmels auf die Nadel. Dabei nehme ich die gleiche Maschenzahl zu wie am Körper (also an einer Seite) und setze einen Maschenmarkierer in die Mitte. Nun stricke ich ca. 10 cm gerade, danach nehme ich alle 6 bis 8 Reihen 2 Maschen ab (also seitlich des Maschenmarkierers jeweils 1), bis die gewünschte Maschenzahl erreicht ist. Dann strickt man einfach gerade weiter bis zur gewünschten Länge. Man kann immer wieder anprobieren.
Den zweiten Ärmel strickt man genau gleich.
Nun strickt man noch ein Bündchen am Hals an und muss nur noch die kleinen Nähte unter dem Ärmel (zugenommene Maschen) schließen.
Einige Beispiele von RVO-Pullis nach eigener Idee:
Funktioniert natürlich auch als Jacke.
Noch ein Tipp zum Stricken in Runden:
Ich stricke am liebsten auf langer Nadel mit "Magic loop". Googelt einfach mal diese Methode mit der Zauberschleife, es gibt gute Erklärungen dazu.
Solltet ihr noch Fragen zum RVO-Stricken haben, meldet Euch einfach und fragt. Ich hoffe, ich kann euch weiterhelfen.
Ansonsten gibt es hier noch eine sehr gute Erklärung: link
Nachtrag:
Ich bin gefragt worden, wie ich die Maschen am Raglan zunehme. Meist nehme ich sie aus dem Querfaden auf (m1r, m1l), bei der blauen Weste habe ich einfach 2 aus 1 Masche gestrickt (einmal von vorne und einmal von hinten einstechen - kfb). Mit Umschlägen geht auch. Man kann die Löcher bewusst eins Muster einfügen oder sie verschränkt abstricken.
Zunahmen, Abnahmen oder Maschenanschlag kann hier jeder nach seiner bevorzugten Methode arbeiten.